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Eiszeit oder Heißzeit ?

 

Geschwindigkeit von Klimaänderungen

Seit Jahren gab es in Norddeutschland und angrenzenden Ländern keine strengen Winter mehr. Wenig Schnee, die Gewässer kaum noch zugefroren, obwohl der Januar des Jahres 2009 mit strengem Frost bis -26° aufwartete. Dennoch – die Jahresdurchschnittstemperaturen zeigen für den Zeitraum von 1979 - 2002 bei bodennahen Werten eine Zunahme bis zu 0,27° pro Jahrzehnt, nach Satelliten- Messungen aber nur 0.07° (BERNER & STREIF 2004, S. 215). Prognostiziert wird vielerorts für die nächsten Jahrzehnte eine Zunahme von insgesamt 2 – 5°, im Extremfall sogar um 11° mit allen negativen Folgen, besonders die eines rapiden Meeresspiegelanstiegs. Verantwortlich dafür wird das Kohlendioxid CO2 gemacht, insbesondere der von Menschen seit Beginn des industriellen Zeitalters in die Atmosphäre verbrachte Anteil. Sind solche Klimaänderungen aber wirklich vom Menschen verursacht oder überwiegend natürlichen Ursprungs, und wie schnell können letztere ablaufen?

Wie das Wetter sich täglich ändert, so sind auch ganze Klimaperioden Veränderungen unterworfen bis hin zum Wechsel zwischen Glazialen und Interglazialen; aber auch diese sind durch Klimaschwankungen ausgezeichnet. Zwar wurden die Glazialzeiten zunächst als einheitliche Abschnitte betrachtet, getrennt durch Interglaziale von jeweils einigen 10 000 Jahren Dauer, wobei früher das sogenannte „Große Interglazial” (= Holstein) zwischen Elster- und Saale-Eiszeit bis auf ca. 200 000 Jahre veranschlagt wurde. In den 70er Jahren wurde in den niedersächsischen Kieselgurlagern aufgrund von Jahresschichten-Zählungen die absolute Dauer des Holstein-Interglazials stattdessen nur auf 15 - 16 000 Jahre (K. J. MEYER 1974, H. MÜLLER 1974 a) und die des Eem- Interglazials auf ca.11 000 Jahre ermittelt (H. MÜLLER 1974 b). Höchst bemerkenswert ist ferner, dass der Übergang von der Saale- Kaltzeit zur Eem-Warmzeit in einem kurzen Zeitraum von wenigen Jahrzehnten ablief. Zur Zeit des Klima-Optimums im Eem herrschten 2 - 3° höhere Durchschnittstemperaturen gegenüber heute, das Nordpolarmeer dürfte eisfrei gewesen sein und Grönlands Eisschild reduziert. Der Meeresspiegel lag bis ca. 7 m höher, wie weltweit verbreitete Brandungsterrassen belegen, gut zu sehen z. B. an den Felsküsten Cornwalls und von Devon bei Westward Ho! Unter den Großsäugern lebten in Nordwestdeutschland auch Waldelefant und Flusspferd; letzteres beweist, dass die hiesigen Gewässer damals im Winter eisfrei blieben. Dem damaligen Neandertaler dürfte das kaum als Klimakatastrophe vorgekommen sein und der Eisbär hat das eisfreie Polarmeer überlebt.

Die insgesamt rund 106 000 Jahre dauernde (von 117 000 - 11 560 v. h.) Weichsel- Kaltzeit ist bis zum Hochglazial mit der Vereisung v. a. Nordamerikas und Nordeuropas durch einen mehrfachen Wechsel von wärmeren (Interstadialen und Intervallen) und kälteren Phasen (Stadialen) gekennzeichnet (Abb.3). Während in den letzteren Dauerfrostboden herrschte, war in den wärmeren Phasen Pflanzenwachstum möglich, anfangs sogar borealer Wald (FREUND & CASPERS 1997). Fossile Torfe und Seeablagerungen gestatten genaue Aussagen über Lebens- und Temperaturverhältnisse, wobei die durchschnittlichen Julitemperaturen von zunächst ca. 15° auf unter 10° sanken. Die Vergletscherung des nördlichen Mitteleuropa zur Weichselkaltzeit geschah erst relativ spät mit dem Höhepunkt um etwa 20 000 v. h. und dauerte rund 10 000 Jahre. In diesem Zeitraum stießen die Gletscher mindestens dreimal weit nach Süden vor, wobei sie in den Zwischenphasen bis zur Ostseesenke zurück schmolzen. Auch das sind also enorm rasche und geradezu gewalttätige Klimaveränderungen gewesen. Gleiches gilt für die vorangegangenen Vereisungsphasen der Saale- und Elsterkaltzeit mit jeweils 3 bzw. 2 größeren Eisvorstößen, nun aber bis in die nördlichen Mittelgebirge hinein, ebenfalls von einer Größenordnung von 10 – 15 000 Jahren (EISSMANN & LITT 1994, S. 87). Dabei betrug die Geschwindigkeit des ersten elsterzeitlichen Eisvorstoßes bei Leipzig 1,4 km pro Jahr. Nach dem weichseleiszeitlichen Hochglazial kollabierten die riesigen Eismassen der Nordhemisphäre geradezu, aber auch jetzt wechselten kältere und wärmere Phasen in rascher Folge. Extrem schnell aber vollzog sich der Wechsel zur Nacheiszeit (Holozän). Vor 11 560 Jahren stieg die durchschnittliche Jahrestemperatur innerhalb von 5, höchstens 15 Jahren um 5 – 6° an (MERKT & MÜLLER 1999; BERNER & STREIF 2004, S. 111, 136). Diese Beispiele zeigen, dass sehr schnelle Klimaänderungen im Quartär nichts Ungewöhnliches sind.